Liebe alle,
sehr gerne sende ich euch wieder eine längere Sequenz Atem- und Empfindungsarbeit zu. Sie ist am letzten Sonntag Vormittag entstanden, aber in mir waren keine Worte, mit welchen ich sie euch hätte senden können.
Dies auch, weil mich die Situation von uns Komplementärtherapeut*innen und Heilpraktiker*innen manchmal sehr traurig macht.
Auch wenn ich hinter den jetzigen Massnahmen voll und ganz stehe ist es doch schwer zu nehmen, dass grad uns, die in der jetzigen Zeit so viel zu geben hätten, die Hände komplett gebunden sind.
Covid 19 ist eine Erkrankung der Atemorgane und sie macht Angst. Für beide Beschwerden ist Atemtherapie (unter Anderen) prädestiniert. Wie würde es sich wohl auf eine Abteilung eines Spitals oder Altersheimes auswirken, wenn täglich jemand von uns 30' am Bett eines Patienten oder im Zimmer verschiedener Patienten wirken würde? Und wie wäre die Wirkung dieser Ausstrahlung wohl auf das sehr geforderte und auch verängstigte Spitalpersonal?
Ich lasse die Frage jetzt einfach mal offen so stehen.
Und hänge euch den wunderschönen und tröstlichen Text von Rilke an, der bezeichnenderweise den Titel "Geduld" trägt.
Und hoffe noch immer, ihr seid wohl und gesund und so froh wie es halt möglich ist...
In herzlicher Verbundenheit
Verena
Über die Geduld
Man muss den Dingen die eigene Stille, ungestörte Entwicklung lassen, die tief von Innen kommt, und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann; alles ist austragen - und dann gebären...
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt, und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch!
Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit….
Man muss Geduld haben
Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke (Brief an den jungen Dichter, Franz Xaver Kappus)
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